Entstehung und Hintergrund des Spiels
Die Idee
Die erste Idee zu einem Spiel über die Entstehung von Venedig trug Christian Fiore schon einige Zeit mit sich herum, vielleicht aufgrund seiner italienischen Wurzeln. Die einzigartige Geschichte und Lage der Stadt hatte zuvor schon andere Spielautoren inspiriert, doch noch kein Spiel beschäftigte sich damit, wie Venedig sich von einer schlammigen Lagune zu der weltberühmten Stadt auf Pfählen entwickelt hatte. Und so begannen wir Knut Happel Mitte November 2004 die Umsetzung der Spielidee, welche schon früh den Titel „Die Säulen von Venedig“ erhielt.
Erste Probleme
Von Anfang an war klar, dass die venezianische Besonderheit des Bauens auf Pfählen tragendes Element des Spiels werden sollte – im wahrsten Sinne des Wortes. Problematisch war die Frage, wie ein Spieler selbst vom Bauen von Pfählen profitieren konnte, ohne dass die anderen Spieler ihm vorwegkommen und auf seine frisch gebauten Pfähle ihre punkteträchtigen Stadtteile bauen würden. Knut Happel hatte schließlich den Einfall mit den Pfahlmarkern, welche man auf Pfählen platziert, um später Siegpunkte zu erhalten, wenn andere Spieler genau auf diesen Pfählen bauen.
Außerdem wollten wir erreichen, dass die Spieler die ihnen zur Verfügung stehenden Aktionsmöglichkeiten stets klar und übersichtlich vor Augen haben sollten. Deshalb bekam jeder Spieler eine Anzahl von Aktionskarten auf die Hand, von denen gemeinsam jeweils eine pro Runde verdeckt ausgewählt und sodann einzeln offen ausgeführt werden sollte. Danach waren die Aktionskarten an den linken Nachbarn weiterzugeben. Dies sorgte dafür, dass die Spieler einerseits mit den verbliebenen Karten auf ihrer Hand längerfristig planen konnten, andererseits aber stets auch neue Karten hinzubekamen. Als spieltaktisch reizvoll erwies sich dabei, dass das Ausspielen einer Aktionskarte neben den Vorteilen der Aktion stets auch den Nachteil hatte, dass die Karte danach einem anderen Spieler zur Verfügung steht, welcher sie vielleicht noch wirksamer einsetzen konnte.
Die ersten Testrunden verliefen bereits vielversprechend – was bei neuen Spielideen sicherlich nicht die Regel ist. Auch die Testspieler waren von Anfang an sehr angetan, vor allem von der ungewöhnlichen Optik des Spieles.
Die Recherche
Früh schon reifte die Idee, die Aktionen der Spieler thematisch mit Persönlichkeiten Venedigs zu verknüpfen. Zwar hatte wohl schon jeder einmal vom Dogen von Venedig gehört. Es galt aber herauszufinden, welche anderen Figuren charakteristisch für die Stadt waren. Und so begann – vor allem mittels des Internets – eine Recherche zu Venedig.
Schon bei den ersten Testspielen hatten die Aktionskarten, mit welchen Pfähle gebaut wurden, die Bezeichnung „Pechtunker“ erhalten, da die Pfähle unter der Stadt zunächst mit Pech wasserdicht gemacht wurden, bevor man sie in den Boden der Lagune schlug. Durch die Recherche fanden wir heraus, dass Venedig ein zu seiner Zeit in Europa kaum erreichtes Netz von Spionen unterhielt sowie eine der erfolgreichsten Handelsmächte war, was zur Aufnahme der Aktionskarten „Spion“ und „Händler“ ins Spiel führte.
Die Weiterentwicklung
Durch die Erkenntnisse weiterer Testrunden veränderten sich die Aktionskarten in Zahl und Gestaltung, auch wenn sie in Aufbau und grundsätzlichen Funktionen weitestgehend unverändert blieben. Einige allzu komplizierte Aktionskarten wurden wieder entfernt, da unser stets darauf gerichtet war, ein Spiel von taktischer Tiefe aber auch leichter Zugänglichkeit für Wenigspieler zu erschaffen. Zahlreiche Testrunden mit andersgeformten und größeren Stadtteilen – mit Grundflächen von 5 oder 6 Pfählen – wurden gespielt. In das endgültige Spiel wurden diese jedoch nicht aufgenommen, da gerade unerfahrene Spieler zögerten, die größeren Stadtteile auszuwählen.
Göttinger Spieleautorentage 2005
Bei den Göttinger Spieleautorentagen 2005 stellten wir den Prototyp von Die Säulen von Venedig sodann erstmals der Öffentlichkeit vor. Redakteure mehrerer Verlage konnten das Spiel testen und zeigten sich angetan. Die Spielehomepage HALL 9000 spielte ebenfalls eine Partie und kam zum Ergebnis, dass es sich um ein „optisch und taktisch ansprechendes Spiel“ handelt. Auch die während der Göttinger Spieleautorentage gewonnenen Erkenntnisse und Anregungen wurden von uns in der Folge getestet und teilweise im Spiel berücksichtigt.
Der Verlag
Der Goldsieber Verlag war schon bei der ersten Vorstellung des Prototypen wegen der Einfachheit des Spielablaufs und der ungewöhnlichen Aufmachung sehr interessiert an den „Säulen von Venedig“. Der Entschluss zu einer Zusammenarbeit war daher schnell getroffen – sicherlich auch wegen der guten Erfahrungen mit unserem ersten Gemeinschaftswerk im Goldsieber Verlag: „Pecunia non olet – Geld stinkt nicht“, dem Spiel um Latrinen im alten Rom. Eines der Hauptaugenmerke unserer folgenden Arbeit am Spiel wurde darauf gerichtet, wie die Umsetzung der materialträchtigen Spielidee zu einem angemessenen Preis gelingen konnte, ohne die besondere Optik des Spiels zu verlieren. Auch wurde die Größe des Spielplans der Spielschachtel angepasst. Und insbesondere an den Aktionskarten wurde durch kleinere Änderungen der letzte Feinschliff vorgenommen.
Die Grafik
Die grafische Gestaltung erfolgte wie schon bei „Pecunia non olet – Geld stinkt nicht“ durch Co- Autor Christian Fiore hatte gerade für den Goldsieber Verlag zur Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg 2006 auch die beiden Familienspiele „Der verrückte Räuber“ und „Extreme Limits“ gestaltet. Und so ging es für ihn vom Fun- Thema „Pecunia non olet“ über die beiden Familienspiele zum ersten „großen“ Spiel mit historischem Hintergrund. Grundanforderung war auch hier, eine grafische Form zu finden, die sowohl ansprechend als auch dem Spielfluss dienlich ist. Es sollte eine spielerische Atmosphäre des alten Venedig entstehen. Realistisch genug, um faszinierend, aber auch grafisch genug, um spielerisch sein zu können – kurz: Es galt die richtige Mischung aus Realismus und Illustration zu treffen.
Unter dieser Prämisse nahmen die Charaktere für die Aktionskarten Formen an. Die einzelnen Figuren sollten nicht nur ein treffendes Äußeres erhalten, sondern auf dem Karten sollten kleine Szenen oder Geschichten entstehen: So etwa der „Ratsherr“, der in seiner düsteren Kammer umgeben von Büchern die Geschicke der Stadt lenkt, den „Saboteur“, der im dunklen Nebel verborgen die Stadt verunsichert, oder auch den „Gondoliere“, der fröhlich seine Gondel über den Canale Grande bewegt. Ein Rahmen der Aktionskarten aus Säulen, steinernen Ornamenten und den kleinen, für Venedig typischen Statuen von Doge und Löwe verlieh den Illustrationen dann das passende venezianische Umfeld.
Die zweite große grafische Herausforderung stellten der Spielplan und die Stadtteile dar. Gebäude und Plätze sollten klar voneinander trennbar sein, aber dennoch im Laufe des Spiels eine lebendige Stadt mit Plätzen, Gebäuden und Brücken entstehen. Deshalb wurde zuerst eine Draufsicht auf die Dächer der Stadt versucht. Die nötige Übersichtlichkeit war damit klar vorhanden, doch es mangelte an Atmosphäre und die Stadt wirkte recht statisch und unbelebt. So wurden sämtliche Grafiken der Stadtteile über Bord geworfen und ein zweiter Versuch gestartet. Diesmal sollte es eine Perspektive werden, bei der man die Fassaden der Häuser mit den für Venedig typischen langgestreckten Fenstern, Läden, Säulen und Balkonen erkennen konnte. Zu guter Letzt wurden auf den Plätzen noch einige kleine Szenen eingefügt: eine Reisegruppe, ein Karren oder auch zwei Arbeiter, die einen Pfahl tragen. So entstand ein lebhafteres, atmosphärisches Venedig.
Das fertige Spiel
Als die Arbeit an Die Säulen von Venedig schließlich abgeschlossen wurde, war ein Spiel entstanden, von dem wir überzeugt sind, dass es sich in hohem Maße interaktiv und ständig in Bewegung präsentiert. Stets ergeben sich neue Situationen auf dem Spielplan: Pfähle werden gebaut, Pfahlmarker platziert, neue Stadtteile errichtet, die Charakterkarten wechseln ihren Besitzer, zurückliegende Spieler schließen sich zusammen, um gemeinsam Siegpunkte zu erringen und führende Spieler wieder einzuholen, wodurch das Spiel bis zum Schluss offen bleibt. Nach mehr als einjähriger weiterer Entwicklungsarbeit wurde das Spiel schließlich auf den Internationalen Spieletagen SPIEL 2006 in Essen durch den Goldsieber Verlag als Spieleneuheit präsentiert.
Die Spiele Preis Kommission der Wiener Spiele Akademie kürte Die Säulen von Venedig in der Folge zum Spielehit mit Freunden 2007. Und die Jury Spiel des Jahres setzte unser Spiel auf die Empfehlungsliste 2007: „Die einfachen Regeln runden das gelungene Spiel ab.“ – meint die Jury. Und wir – voller Stolz – auch.
Spielbeschreibung und Spielmaterial
In Die Säulen von Venedig nehmen die Spieler auf spielerische Weise teil an der Entstehung von Venedig aus dem Sumpf einer Lagune und seiner Entwicklung zur weltberühmten Stadt auf Pfählen. Sie schlüpfen in die Rollen von Handwerkern, Dogen, Dieben und Advokaten und sichern sich Ruhm und Ehre als Erbauer der Säulen von Venedig.
Das spannende und interaktive Spiel mit viel Spielmaterial aus Holz läßt 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren die Entstehung und Entwicklung Venedigs zur weltberühmten Stadt auf Pfählen in 45 bis 60 Minuten nacherleben. Der fesselnde Spielverlauf und die reichhaltige Ausstattung mit großformatigem Spielplan, Spielkarten mit venezianischen Persönlichkeiten, vielen schön gestalteten Spielplättchen und über 100 Holzteilen macht Die Säulen von Venedig zu einem besonderen Spielerlebnis.
2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren, 45 bis 60 Minuten
Inhalt: 1 Spielplan, 31 Spielkarten, 60 Holzpfähle, 54 Pfahlmarker, 1 Gondel aus Holz, 48 Stadtteile, 1 Spielregel.
Taktische Hinweise
Zum Sieg bei „Die Säulen von Venedig“ führen verschiedene Strategien und ihr Einsatz zum richtigen Zeitpunkt: Wer Pfähle und Pfahlmarker setzt, kann damit seine Mitspieler vom Bauen an einer Stelle abschrecken oder sich zumindest eine einfache und schnelle Möglichkeit schaffen, um zu Siegpunkten zu gelangen. Das Bauen von Stadtteilen ist – weil diese zuerst aus dem allgemeinen Vorrat erlangt werden müssen – aufwendiger, aber auch ertragreicher, da für größere Stadtteile mehr Punkte erzielt werden können als durch Pfahlmarker – vor allem wenn man die Stadtteile geschickt aneinanderbaut und dafür zusätzliche Siegpunkte erhält. Außerdem entscheidet jeder Spieler selbst, wo er Stadtteile bauen will und wem er damit Siegpunkte verschafft. Eine weitere Spielstrategie kann darin liegen, mit Aktionskarten wie „Spion“, „Spekulant“ oder „Gondoliere“ von den Aktionen der anderen Spieler zu profitieren, auch wenn solche Karten das Risiko tragen, dass bei einer Fehleinschätzung gar keine Siegpunkte erzielt werden.
Varianten
Bei der Entwicklung eines Spiels entstehen oft reizvolle Varianten, die aber zumeist keinen Eingang in die Spielanleitung finden, um die Regeln nicht zu umfangreich werden zu lassen.
Wahnwitzige Werft
(Bei dieser Variante wird das Spielende eingeläutet, wenn nur noch 10 Pfähle übrig sind. Dadurch wird das Spielende absehbarer.)
Die Werft und 10 Pfähle werden zu Spielbeginn neben dem Spielplan abgelegt. Sind die anderen 50 Pfähle aufgebraucht, darf der (die) Letztplatzierte(n) ab der nächsten Runde jeweils 1 Pfahl aus der Werft mit einem Pfahlmarker auf dem Spielplan platzieren. Es dürfen weiterhin Pechtunker ausgespielt werden. Das Spiel endet sofort, wenn alle Pfähle aufgebraucht sind.
Außergewöhnliche Adlige
(Mit dieser Variante können die Spieler ihre Aktionskarten aufwerten, um sich so im richtigen Moment den vielleicht entscheidenden kleinen Vorteil zu verschaffen.)
Um diese Variante zu spielen, werden vor Spielbeginn jedem Spieler 5 beliebige Marker ausgeteilt – dies können Spielsteine aus anderen Spielen, Münzen oder sonstige Gegenstände sein. Diese Marker sind die Adligen.
Wer mit dem Ausführen einer Aktionskarte an der Reihe ist, kann einen seiner Adligen abgeben und dadurch seine Aktionskarte aufwerten. Dieser Spieler darf dann
– mit dem “Pechtunker” 1 Pfahl mehr einsetzen,
– mit dem “Ratsherr” 1 Stadtteil mit 1 Stein mehr aus dem Vorrat nehmen,
– mit dem “Baumeister” und dem “Advokat” 1 Stadtteil mit 1 Stein mehr bauen,
– mit dem “Saboteur” 1 zusätzlichen Pfahlmarker platzieren,
– mit dem “Spekulant“, “Erfinder” und “Händler” 1 zusätzlichen Siegpunkt erzielen,
– mit dem “Gondoliere” den Adligen auf die Gondel stellen und mit dem “Gondoliere” 3 statt 2 Siegpunkte erzielen.
Da die Adligen nach ihrem Einsatz aus dem Spiel genommen werden, kann jeder Spieler im Laufe des Spiels 5 außergewöhnliche Adlige einsetzen.
Rezensionen zum Spiel
BRIGADIERS.DE „Die Säulen von Venedig sind ein rundes Familienspiel. Die Spielregel ist gut gegliedert und nach den ersten beiden Spielrunden haben die Spieler das Spielprinzip verinnerlicht. […..] Das Spielmaterial macht Spaß beim Spielen und ist von sehr guter Qualität.“
SUPERFRED.DE „Die Säulen von Venedig ist ein interessantes Spiel, bei dem die Spieler den Aufbau von Venedig simulieren. Die Regeln sind sehr gut geschrieben und an mehreren Beispielen erläutert, und nach einer kurzen Erklärung der verschiedenen Kartentypen kann das Spiel bereits beginnen. Die Spielmechanismen sind dabei zwar nicht wirklich neu, greifen aber hervorragend ineinander. […..] Die Säulen von Venedig ist ein tolles Familienspiel, welches aber durchaus auch die Spielefreaks begeistern konnte.“
NEUE ZÜRICHER ZEITUNG.CH „Die Säulen von Venedig überzeugt durch einen leichten Einstieg, eine stimmige Atmosphäre, viel Interaktion, eine reichhaltige, schöne Ausstattung „mit über 100 Holzteilen“, eine witzige Grafik und einen recht originellen Spielaufbau für Leute, die aus Spaß und nicht mit Bierernst spielen.“
HANDELSBLATT „Die Säulen von Venedig ist ein sehr solides Familienspiel, das durch die wechselnden Rollen einen ganz besonderen Pfiff erhält. Nicht nur die Geschichte ist sehr stimmig umgesetzt, es ist auch strategisch reizvoll und gibt uns viele Möglichkeiten auf das Geschehen Einfluss auszuüben.“
ARBEITSAUSSCHUSS KINDERSPIEL + SPIELZEUG E.V. „Bei diesem Familienspiel werden die Karten nach einem bemerkenswerten Mechanismus verteilt und es ist in jeder Spieleranzahl wirklich gut spielbar. […] So entsteht nach und nach eine Stadt mit großen Gebäuden und Plätzen, durchzogen von Kanälen, die wirklich an Venedig erinnert.“
Wissenswertes zu Venedig
Venedig – Die Entstehung der Lagune und der Stadt auf Pfählen
In Küstennähe abgelagerte Sand- und Geröllmassen aus den ins Mittelmeer mündenden Flüssen Brenta, Sile und Piave bildeten – von den Meeresströmungen geformt – langgezogene Sandbänke, welche eine Wasserfläche von etwa 550 Quadratkilometern vor der Adriaküste einschlossen und so die Lagune von Venedig bildeten. In der Lagune entstanden eine Vielzahl von Sandbänken und kleinen Inseln.
Auf dem schlammig- weichen Schlick dieser Inseln war an ein Bauen im herkömmlichen Sinne aber nicht zu denken. Also trieb man bis zu 20 m lange Eichen- und Lärchenstämme dicht an dicht durch den Schlick in den darunterliegenden festen Mergelboden der Lagune. Darüber wurde eine Schicht von Eichen- und Lärchenbrettern gelegt. Mit Sand und Teer verband man diese zu einem dauerhaften Fundament, welches vollständig unter Wasser liegen musste, um das Faulen des Holzes zu verhindern. Diese Technik der palificazione wurde von besonderen Handwerkern meisterhaft beherrscht.
Auf diesem Fundament wurden zunächst einfache Holzbauten, später aber auch die Häuser, Kirchen und Paläste aus Stein errichtet. Bildlich spricht man oft von einem abwärts wachsenden Wald, auf dem Venedig ruhe. Welch unvorstellbare Zahl an Baumstämmen in Venedig verbaut wurden, läßt sich nur erahnen. Man schätzt, dass der Campanile, das Wahrzeichen Venedigs, auf rund 100.000 Stämmen steht, die Kirche Santa Maria della Salute auf 180.000 Stämmen.
Venedig – Die Stadt und ihre Stadtteile
Venedig liegt im Norden der Adria, etwa 4 km vom Festland und 2 km vom offenen Meer entfernt, mitten in einem flachen Binnenmeer, einer sogenannten Lagune. Die Größe der Lagune beträgt etwa 40 km in der Länge und 15 km in der Breite, insgesamt etwa 55.000 Hektar. In Küstennähe abgelagerte Sand- und Geröllmassen aus den ins Mittelmeer mündenden Flüssen Brenta, Sile und Piave bildeten eine Vielzahl von Sandbänken und kleinen Inseln. Auf diesen entstanden im Laufe der Zeit durch Bauern, die vor den Hunnen und Langobarden geflohen waren, mehrere Siedlungen. Diese fügten sich nach und nach zu einer einzigen Stadt zusammen: Venedig.
Der Name Venetia stammt vom Volk der Veneter, das in der Gegend ansässig gewesen war. Ein bekannter Beiname Venedigs ist La Serenissima (von lateinisch serenus Hoheit). Diese Bezeichnung entstand aus der Verkürzung des früheren offiziellen Staatstitels: La Serenissima Repubblica di San Marco (Die allerdurchlauchtigste Republik des Heiligen Markus). Seit dem Raub der Reliquien des Heiligen Markus aus Alexandria im Jahre 828 war der Heilige Markus Schutzpatron Venedigs. Sein Symbol, der geflügelte Löwe, wurde zum Wappentier und Hoheitszeichen der Stadt. Im Mittelalter und in der Renaissance war Venedig der einzige europäische Staat, der sich selbst ohne weltlichen oder kirchlichen Oberherrn regierte.
Die Geschicke der Stadt wurden durch den Dogen und den Großen Rat gelenkt. Dieser bestand aus anfänglich rund 1000 und später etwa 2000 auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern, die aus Familien stammten, welche schon einmal im Großen Rat gesessen hatten. Der Große Rat musste allen wichtigen Gesetzesvorlagen zustimmen und wählte die wichtigsten Beamten der Stadt. Ein Überwachungsgremium mit weitreichenden Vollmachten, der Rat der Zehn, kam später hinzu. Ein strenges Polizei- und Spitzelsystem wachte über die Ordnung in der Stadt. Das Aushandeln sehr lukrativer Handelsverträge verschaffte Venedig eine jahrhundertelange Monopolstellung im Handel zwischen Westeuropa und Byzanz und reiche Einnahmen aus dem Levantehandel mit den Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land.
Die Lagunenstadt ist seit vielen Jahrhunderten aufgeteilt in 6 Stadtbezirke (Sestieri): San Marco, Castello, Cannaregio, Santa Croce, San Polo und Dorsoduro. Ebenfalls zur Stadt gehören die Inseln San Giorgio, Giudecca, Burano, Murano, Torcello, Lido, Pellestrina, Malcontenta, Dese, Tessera, Mestre, Marghera, Zelarino, Carpendo, Asseggiano, Trivignano, Favaro und Chirignago.
Venedig – Die besonderen Orte
Venedig ist eine Stadt, die reich ist an besonderen Orten. Überall ist man umgeben von weltberühmten Sehenswürdigkeiten. Der Canale Grande schlängelt sich auf einer Länge von 3,8 Kilometern und mit einer Tiefe von etwa 5 Metern mitten durch Venedig. Befährt man ihn auf seiner gesamten Länge, kommt man an 210 Palästen und 15 Kirchen vorbei. Die Macht und der Reichtum der mittelalterlichen Stadtrepublik Venedig spiegelt sich im Dogenpalast (Palazzo Ducale) wieder. Dieser hatte die Funktion eines Regierungs- und Justizgebäudes. Nach mehreren Umbauten und dem Anbau neuer Flügel mißt der Dogenpalast nunmehr 71 x 75 Meter und schließt im Norden unmittelbar an die Basilica di San Marco (Markuskirche) an, während ihn im Osten die Seufzerbrücke mit dem Gefängnis verbindet. Die Piazza San Marco (Markusplatz) ist der meistbesuchte Platz der Welt. Was vor allem für die Tauben gilt. Im Durchschnitt ist der Platz 175 Meter lang und bis 82 Meter breit, im Osten begrenzt durch die Westfassade der Basilica di San Marco. Der 98 Meter hohe Campanile (Markusturm) ist das Wahrzeichen Venedigs. Als Campanile bezeichnet man einen freistehenden Glockenturm einer Kirche. Der bekannteste Campanile ist sicherlich der Schiefe Turm von Pisa. Der Campanile von Venedig ist der Glockenturm der Basilica di San Marco. 1902 war er beim Versuch einen Fahrstuhl einzubauen zusammengestürzt, wurde aber aus alten Steinen wieder aufgebaut und bietet einen herrlichen Blick über Venedig. Die Basilica di San Marco (Markuskirche) ist dem Heiligen Markus gewidmet. Sie wurde errichtet, nachdem 828 Reliquien des Heiligen Markus 828 von zwei Seeleuten aus Alexandria nach Venedig überführt wurden. Der Doge Domenico Silvio soll per Gesetz 1075 die ganze Stadt verpflichtet haben, ein kostbares Schmuckstück für die Basilica di San Marco zu stiften und in der Tat ist das Innere der Kirche außergewöhnlich reich verziert. Santa Maria della Salute ist eine barocke Kirche an der Einfahrt zum Canal Grande. Sie wurde nach einer Pestepidemie in der Stadt erbaut. Jedes Jahr am 21. November findet eine Prozession zum Dank für die Errettung von der Pest statt, bei welcher eine Brücke von der Kirche Santa Maria del Giglio über den Kanal zur Santa Maria della Salute geschlagen wird.
Die Gondeln von Venedig
Im Mittelalter war die Gondel das wichtigste Fortbewegungs- und Transportmittel in Venedig. Die Zahl der Gondeln ist jedoch seitdem von 10.000 auf heute etwa 500 gesunken. Eine venezianische Gondel ist 10,85 Meter lang und 1,42 Meter breit bei einem Gewicht von 400 bis 500 Kilogramm. Traditionell wird sie vom Gondelbauer, dem Squerariole, aus acht verschiedenen Hölzern gebaut. Der Boden der Gondel wird aus Tannenholz gefertigt, welches sich im Wasser ausdehnt und den Boden dadurch fugendicht verschließt. Die Rundplanken der Außenwände sind aus robustem Eichenholz, da Kollisionen mit anderen Gondeln oder Häusern durchaus vorkommen. Lindenholz findet Verwendung beim Bau von Bug und Heck, während die Querspanten aus biegsamen Ulmenholz gefertigt werden. Der Innenboden der Gondel besteht aus leichtgewichtigem Birkenholz. Außerdem wird Kirschholz bei den Überbauten sowie Lärche und Mahagoni für die Abdeckung verarbeitet.
Jede Gondel ist auf der Backbordseite länger und breiter als auf der Steuerbordseite und dadurch leicht zur rechten Seite geneigt. Damit wird das Gewicht des Gondoliere ausgeglichen, welcher am Heck der Gondel auf der linken Seite steht. Um diese charakteristische Form zu erhalten, wird das Holz gebogen. Dazu wird eine brennende Fackel aus Schilfbündeln über die feuchten Bretter geführt. Wenn das Holz kurz davor ist zu glimmen, kann es vom Gondelbauer in die schiefe Form gebogen und mit Zwingen fixiert werden bis das Holz wieder getrocknet ist. Alle paar Jahre müssen die Gondeln zur Reparatur, da sich ihr Holz im Salzwasser der Lagune wieder in seine gerade Form zurückbiegt.
Bis zum Jahre 1564, als die Farbe schwarz für alle Gondeln vorgeschrieben wurde, waren diese mit Vergoldungen, brokatbezogenen Sitzen und bunten Bemalungen versehen. Noch bis heute sind alle Gondeln mit dem eisernen Bugspriet ‚ferro‘ in Form eines stilisierten Dogenhuts mit den 6 Zacken für die Stadtteile Venedigs und einem Heckeisen in Form eines Bischofsstabs verziert.
Da die Wassertiefe in der Lagune von Venedig ebenso unterschiedlich wie wichtig für die Gondolieri ist, gingen diese dazu über, aufrecht stehend zu rudern. Der Gondoliere rudert am Heck stehend vorwärts. Dazu benutzt er das ‚remo‘, ein etwa vier Meter langes Ruder. Da der Gondoliere mit diesem auch die Richtung gut selbst bestimmen kann, ließ man bald auch das Steuer weg. Das Ruder liegt in der Rudergabel ‚forcola‘. Diese ist aus Walnussholz gefertigt und wird an Statur und Körpergröße des Gondoliere angepasst. Sie hat verschiedene Einbuchtungen, in welche das Ruder bei den verschiedenen Manövern -vorwärts, rückwärts, beschleunigen, abbremsen – eingelegt wird.
Die Brücken von Venedig
Wie in einer Lagunenstadt nicht anders zu erwarten, durchziehen fast 400 Brücken die Stadt. Drei dieser Brücken überspannen sogar den Canale Grande: die Barfüßerbrücke, die hölzerne Akademiebrücke und die Rialtobrücke (Ponte di Rialto). Diese berühmteste aller venezianischen Brücken verbindet die Stadtteile San Marco und San Polo miteinander. Sie wurde auf 6000 Eichenpfählen gebaut.
Die ebenfalls weltbekannte Seufzerbrücke führt über den acht Meter breiten Kanal Rio di Palazzo und verbindet den Dogenpalast mit dem alten Gefängnis. Ihren Namen verdankt sie der Legende, dass die verurteilten Straftäter vom Gericht im Dogenpalast über die Brücke in das Gefängnis geleitet wurden und von der Seufzerbrücke aus zum letzten Mal mit einem Seufzer die Lagune sehen konnten.
Venedig – Die Gefährdung der Lagune
Venedig und seine Lagune sind stark gefährdet. Abwässer aus der Industrie aber auch aus den Wohnhäusern (Venedig besitzt bis heute noch kein Kanalisierungssystem) zernagen die Pfähle, die Abgase in der Luft zerfressen die Mauerwerke der alten Gebäude. Die Zunahme der Strömungsintensität, der Salzgehalt des Wassers und die starken Wellenbewegungen der vielen Motorboote tun ein Übriges. Die Industrieanlagen auf dem Festland gegenüber von Venedig entziehen der Lagune gewaltige Mengen an Grundwasser und pumpen Erdgasfelder unter der Lagune ab.
Die Stadt senkt sich etwa 4 – 6 Millimeter im Jahr ab, dazu steigt der Meeresspiegel derzeit um etwa 2 – 3 Millimeter jährlich. Während sich der Boden der Lagune zur Zeit der venezianischen Republik um 20 Zentimeter während eines Jahrhunderts senkte, sind es in unserer Zeit 50 bis 70 Zentimeter. Die Folge sind fast regelmäßige Hochwasserfluten in den Wintermonaten.
Durch zahlreiche Maßnahmen soll dem entgegengewirkt werden. Das ambitionierteste Projekt ist sicherlich MOSE (modulo sperimentale elettromeccanico), ein System aus 79 Schleusentoren an den Hafeneinfahrten. Die Tore befinden sich auf dem Meeresgrund, können aber bei einem Hochwasser durch Druckluft aufgerichtet werden sollen.